Nutzloses Wissen? Wer weiß? 

Auch ich habe mal an einer Doktorarbeit gesessen. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Warum sie bis heute nicht abgeschlossen ist, gehört nicht hierher und ist eine andere Geschichte. Jedenfalls saß ich monatelang im Lesesaal der Mainzer Universität und recherchierte Fachliteratur zum Volkstheater des Franz Xaver Kroetz. Die war spärlich gesät, denn Kroetz war ja Zeitgenosse und akademisch uninteressant. Trotzdem genoss ich diese Zeit im Lesesaal und das Schönste dabei war das Stöbern in den Katalogen. Dabei stieß ich auf die merkwürdige Doktorarbeit eines Schweizers (Autor und Titel ist mir entfallen). Es ging jedenfalls auf gut 200 Seiten über das Phänomen der Trampel- und Saumpfade in der Schweiz.

Es war eine empirisch-soziologische Arbeit und sie kam zu dem Ergebnis, dass 1. kein Mensch geradeaus gehen kann, dass 2. die Saumpfade zu den Einöddörfern der Schweiz je nach der Häufigkeit der Links- bzw. Rechtshänder einen eher Links- bzw. Rechtsdrall aufweisen und 3., dass jede geordnete Form von Stadtplanung durch spontan  entstehende Trampelpfade im wahren Wortsinn unterlaufen wird. These Eins wurde empirisch belegt: Der Autor ließ z.B. an mehreren Standorten unabhängig voneinander eine Reihe Soldaten antreten, die schnurstracks geradeaus gehen sollten. Und zwar über ein von Neuschnee bedecktes Fußballfeld. Niemals kam eine gerade Linie heraus, sondern immer fast gleichmäßige Schlangenlinien. Und tatsächlich bei Rechtshändern ging die erste leichte Kurve nach links, bei Linkshändern nach rechts. Dieser Befund wurde geradezu auf grandiose Weise bestätigt, in dem der Autor alle Jahrhunderte alte Alpendörfer und ihre Zu- und Abwege besuchte und die Bewohner befragte: Bei Rechtshändern ging es links herum ins Tal, bei Linkshändern rechts herum. Im Anhang der Dissertation waren Schwarzweißfotos eingeklebt, die dokumentierten, wo überall in Zürich Trampelpfade die vorgeschriebene Wegführung abkürzten. Leider wurde die Links-Rechtsthese in diesem Teil der Arbeit nicht mehr überprüft, wohl aber die verblüffende Erkenntnis gewonnen, dass bis zu ein paar Metern diese Trampelpfade schnurgerade waren.

Und was will ich damit sagen? Es gibt doch noch Wissensschätze, liebe Wikipedianer, die zu heben es sich lohnt.