ZDF-Kollegen erinnern sich: Geschichten und Anekdoten der Kollegen

Mit Volker war es nie langweilig. Er war im doppelten Sinn ein großer Unterhalter, gewitzt im Gespräch und witzig als Entertainer. Von Adorno bis zotig hatte er alles drauf, verehrte Rainald Goetz ebenso wie Rex Gildo. Die verkörperten für ihn nicht zwei Welten, eher zwei Seiten ein und derselben Welt, nämlich unserer Welt. Und die interessierte ihn in allen Facetten. In seinem Kulturverständnis gab es kein oben und unten, kein E- oder U-, kein elitär und populär.
Er gehörte noch zu der Generation der Redakteure, die die Kultur sehr ernst nahmen. Und ihren Spaß daran auch.
(Im Sender saßen die Aspektler meistens in der Kantine. Heute gibt`s da vegane Menüs, damals stand an der Kantinentür: „Alkohol erst ab 11 Uhr 45“)

Volker war kein Snob, obwohl man ihn in seinem Dauer-Anzug mit Krawatte, alles in grau, sogar das Hemd, dafür hätte halten können. Aber nicht Budapester rundeten seinen Stil ab, es waren Cowboystiefel mit sehr schrägen Absätzen.
Volker hatte den groove, brachte andere gerne zum Lachen, zum Denken , zum Singen. Je später der Abend desto inbrünstiger seine Lieder. Als bekennender Schlagerfan kannte er alle deutschen Hits auswendig: „Rote Lippen soll man küssen“, „Marmor, Stein und Eisen bricht“, „Marina, Marina“ – ein Schmalzfetzen nach dem andern. Mit seinem Schlagerprogramm trat er sogar in Kneipen auf.

Sein Lieblingslied war “Heute hier, morgen dort“ von Hannes Wader. Das lief auch am 13. August, seinem Todestag. Sibylle, seine Frau, und Zoë, seine Tochter hatten es aufgelegt. Es gab Antipasti und kühlen Weißwein. Wie er es sich gewünscht hatte. Volker war noch da, eine Havanna lag auf seiner Brust.
Nur den einen Wunsch „Ich will keine Tränen sehen“ konnten wir Dir nicht erfüllen. Ciao ciao bambino…..

Luzia Braun (von 1987 – 2019 bei aspekte )

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

„Finden Sie sich am Freitag um 10 Uhr in der Kultur-Redaktion aspekte, Hochhaus, Mainz-Lerchenberg ein.“ Volker  Panzer stand 1977 pünktlich, mit einer leichten Verbeugung, artig vor der grauen Eminenz der Redaktion, Elisabeth Eichin, und meldete sich als neuer Hospitant an. „Ja, was wollen Sie denn hier, die Jungs sind doch alle in Wiesbaden unter den Eichen! Da wird schließlich die Moderation und die Sendung zusammengesetzt. Wissen Sie das nicht?“Oh, Gott, das fängt ja gut an!

Ja, und dann endeten unsere Treffen 2020 mit Museumsbesuch, Radtouren, Spaziergängen. Treff war der Stuttgarter Platz, die Windscheidstraße oder das Lentz. Me Collectors Room – Gerhard  Richter in der Auguststraße.  Wir hatten den letzten Tag der Ausstellung bei freiem Eintritt erwischt. Volker ging eilig durch die Räume und blieb interessiert vor den 48 schwarz/weiß-Portraits  stehen. „Den kenn ich, den kenn ich auch, den auch. Oskar Wilde, Rilke, Kafka, Dutschke…“ Lockdown. Unsere Radtour bei  eisigem Wind durch den Charlottenburger Schlosspark. Das Lentz war schon zu. In der Kastanie wurde aufgeräumt und wir bekamen draußen noch ein kleines Bier. Unser letztes Bier tranken wir am vergangenen Samstag am Stutti. Es war schon etwas schwierig für uns. Nur ich konnte noch etwas erzählen, von den Kollegen grüßen. Dann noch ein kleiner Rundgang durch die Windscheidstraße und plötzlich standen wir vor seinem alten, schönen, grünem  Mercedes. Volker ging ein paar Mal um das Auto herum. Der Stern war nicht abgebrochen. Auf der Ablage lagen seine beiden Schlägermützen. Eine für den Winter, eine für den Sommer. 

Marianne Heitmann (von 1977 – 2009 bei aspekte )

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Ich will vorausschicken, dass ich immer noch ganz benommen, bestürzt, betroffen von der Nachricht über Volkers Tod bin. Leider hatte ich es seit seinem 70. Geburtstag versäumt, mich öfter bei ihm zu melden als nur zu den Geburtstagen – und habe ihn dieses Jahr auch nicht mehr erreicht…  Bedauerlicherweise hatte ich daher keine Ahnung wie schlecht es ihm ging. Ein Versäumnis, das ich leider nicht mehr rückgängig machen kann.

Er wird mir fehlen, immerhin war er zu einer Konstanten in meinem Leben geworden, irgendwie war er immer da und es gab mehr als eine Situation in meinem Leben, in der ich an ihn denken musste, auch Jahre noch nach unserer gemeinsamen Zeit im Nachtstudio (immerhin 15 Jahre). Er hatte eine ganz eigene Art, Dinge zu betrachten und sie wiederzugeben – eine Art, die ich stets an ihm bewundert habe. Er war ein außergewöhnlicher Mensch mit außergewöhnlichen Gaben und ich finde, die Welt verliert mit ihm einen bemerkenswerten Kopf. RIP, lieber Volker!

Andrea Weis (Nachtstudio von 1997 bis 2012)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Volker hatte keine Angst, keine Vorurteile. Er war neugierig. Und er war bodenständig. Kein Zufall, dass er einer der ersten war, der die Bedeutung Anselm Kiefers erkannte, dass er immer wieder über Franz Xaver Kroetz oder Edgar Reitz berichtete.  Wenn die erfahrenen Kräfte von aspekte Bedenken trugen oder keine Lust hatten, übernahm er. Seine Beiträge hatten Witz und Verstand. Er recherchierte genau. Fand das treffende Bild, den nötigen Abstand, eine Pointe. Den Satz, der dem Detail gerecht wurde, es aber auch einordnete in größere Zusammenhänge. Er interessiert sich für den Augenblick, aber auch für das, was dem Augenblick voraus ging, konnte Geschichte, Gebäude, Texte, Städte deuten und befragen. Deswegen galt seine besondere Aufmerksamkeit Architektur, Städtebau und Denkmalschutz. Das konnte jemenitische Lehmarchitektur sein, aber auch die Plattenbauten von Marzahn. Er machte sich und seinem Publikum ein Bild von der Welt, denn er liebte Bilder und Sprache und Sprachbilder, aber es waren lebendige Bilder, veränderbare, aufgehoben in einem großen Fluss. Der hielt ihn in Bewegung. 

Benedikt Gondolf (1980 bis 2018 aspekte)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Der Mann, der 1991 als er noch Kinn- und Oberlippenbart trägt, wie eine Mischung aus Peter Handke und Buffalo Bill aussieht – nicht scheu wie ersterer, ebenso verwegen wie der zweite – steht in Cowboystiefeln auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände. Bin neu bei aspekte, weiß nicht viel und kann noch weniger. Er hat sich meiner angenommen, mir so viel erklärt und beigebracht, Geduld gehabt, sich Zeit genommen, zusammen haben wir über unzählige Witze gelacht, Dylan und Wecker gehört, gern Deftiges gegessen. Ein echter Kamerad. Abends drehen wir bei Regen in Gummistiefeln mit einem mürrischen Kollegen. „Eins merk dir: Der Kameramann ist der natürliche Feind des Redakteurs“, ein klassischer Panzer-Satz. Beim Texten durfte man ihn stundenlang nicht stören – ein Ringen, an dessen Ende er oft ein aus Ägypten mitgebrachtes, erleichtertes „al-Hamdu li-Llah!“ ausrief. Filmemachen war für ihn auch Mühsal. Mühe – dass die sich lohnt, hat er mir gezeigt. Seine Denkarbeit und Wissbegier und Bonmots und saarländische Freundlichkeit, der kleine Weißwein am Mittag und sein verschmitztes, kleines Lachen, das von den Mundwinkeln bis zu den blauen Augen reichte – all das und noch viel mehr soll bleiben…

Jutta Louise Oechler (seit 1989 bei aspekte)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Irgendwie kommen mir populärere Mythen in den Sinn und es stellen sich Bilder ein, vom Saarländer im Himmel. Ich stellte mir vor: Volker Panzer vor der Himmelspforte. Nach mehrmaligem Klopfen öffnet Petrus die Tür und vor ihm steht ein sympathischer Herr, schaut ihn freundlich lächelnd an und sagt mit freudiger Stimme: „Tach, ich bin de Volker!“ Nachdem ihm Eintritt gewährt wurde, schaut er sich an dem neuen Ort um, es gibt ein herzliches Wiedersehen mit alten Bekannten, er trifft auf berühmte Persönlichkeiten, mit denen er noch ein Hühnchen zu rupfen hat und überhaupt betrachtet er Alles sehr interessiert, erkundet die Umgebung, hält ein Schwätzchen der und da.Nach einer Weile wird er durstig, doch kann er nirgendwo sein Bedürfnis stillen. Schließlich, schon ganz schön genervt, erblickt er plötzlich den Allmächtigen und rennt auf ihn zu und spricht erbost: „HERRGOTT, nochmal! Es wird doch wohl möglich sein, hier im Himmel ein kühles Bier zu kriegen?!!!“. Der gute Gott erfüllt ihm sodann den Wunsch und die Beiden sitzen nebeneinander und lassen die Blicke schweifen. Und Volker Panzer spricht zum Herrn: „Du, ich muss dir sagen, ich hätte es mir hier schlimmer vorgestellt, also es ist eigentlich ganz nett hier“ (Anmerkung des Verfassers: Da Volker Panzer zu Lebzeiten des öfteren festgestellt hat, er selbst sei ein Gott, ist es natürlich nur logisch, dass man sich unter Göttern duzt!).„Nur“, fährt er den fort und erhebt dabei seinen Zeigefinger, „überall hier dieser grässliche Weiß, das ist ja GRAU-EN-HAFT! Kann man nicht irgendwo eine Ecke des Himmels in einem fröhlichen Schwarz streichen – oder wenigstens in einem bunten Grau?“Ich stelle mir des Weiteren vor: Wie er dann von oben auf die Geschehnisse auf Erden schaut. Wie er wie ein Fußballtrainer während eines Spiels am Spielfeldrand, auf den Wolken auf und ab rennt, nach unten schaut und ruft und lacht, vor Freude jubiliert oder höllisch rumbrüllt. Wie er das irdische Geschehen kritisiert, analysiert, theoretisiert, Lob verteilt und ab und zu den einen oder anderen beleidigt – Um dann später mit einem herzlichen „Ay, vertragen wir uns wieder!“ Frieden zu schließen. Und wie er die da unten mit Erinnerungen, Gedanken, Gefühlen und Ideen versorgt. Vielleicht gerade den Schreiber dieser Zeilen. 

Christian Bitzer (Nachtstudio 1997 bis 2012, danach aspekte )

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Mir fallen sofort zwei Dinge zu Volker ein: Ihm und seinem Stilbewusstsein verdanke ich meine erste dienstliche Flugreise überhaupt. Und was für eine. Volker, mit seinem kämpferischen Faible für Städte, Denkmalschutz und Stadtentwicklung, er wollte gleich nach der Wende „rüber“, plante eine Sendung über die Altbausubstanz in Ostberlin, bzw. was davon übrig war. Die Mauer stand ja noch, bzw. war noch nicht den Spechten zum Opfer gefallen. Und er nahm tatsächlich den neuen Hospitanten mit, der hatte sich nämlich im Studium mit eben solcher Thematik beschäftigt. Und so fand ich mich in einer Maschine der PanAm auf dem Weg von Frankfurt nach Tegel. Und dann kam es: Wir wurden abgeholt. Volker lächelte verschmitzt. Eine fette Mercedes-Limousine mit Chauffeur und DDR-Kennzeichen! brachte uns durch irgendeinen der Übergänge, die gerade an diesem Tag offen waren, „rüber“, ins heutige Westin Grand Hotel“. In irgendeiner der vielen Runden, lange her, hat Volker mal verkündet, auf welche Weise er durchs (berufliche) Leben navigiert: „Das Prinzip des gelenkten Zufalls“. Daran denke ich seither immer wieder und werde das auch weiter tun. 

Gerald Giesecke (seit 1989 bei aspekte)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Da ich ja Volker 15 Jahre, also von der 1. bis zur letzten Sendung produktionell begleitet habe, haben sich besonders  2 seiner markantesten Sprüche eingeprägt:

1.     Fernsehen scheitert immer am Ton. (Das sagte er jedes Mal beim Betreten des Studios).

2.     Vertragen wir uns wieder. (Ein Trinkspruch, auch wenn man sich nicht gestritten hatte.).

Diese Nachricht mit dem Tod hat mich echt umgehauen und ich hatte all die Jahre ein sehr offenes und vertrauensvolles Verhältnis zu ihm. Es ist so bitter.

Uwe Nadolny (Nachtstudio von A bis Z)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Vielleicht macht die Herkunft aus dem Saarland sensibler dafür, wie Menschen ticken, die aus einer kleineren deutschen Region am Rande ins große Deutschland kommen. Volker hatte eine erstaunlich selbstverständliche Art, mit Kollegen und Kolleginnen aus dem Osten Deutschlands zu arbeiten, zu reden, zu feiern – vor dem Mauerfall und erst recht danach. Viele Freundschaften sind so entstanden, weil die vorurteilsfreie Offenheit und Neugier eine seiner größten Stärken war. Er wird uns in diesem nicht einfacher gewordenen Land als kluger, enthusiastischer, humorvoller Vermittler fehlen. Solche wie er sind selten.

Frank Vorpahl (seit 1994 bei aspekte)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Kleines Gedächtnis-Protokoll einer aspekte-Assistentin:Erste Redaktions-Konferenz im Januar 1992 – man kam aus den Weihnachtsferien.Sofortiger verbaler Überfall des Redaktionsleiters Willms: „Ich hoffe, alle Gänse sind gut verdaut – denn wir machen eine Schwerpunkt-Sendung zum Jugoslawien-Konflikt. Habe in den letzten Tagen alle Medien verfolgt… Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür…“Große Stille — dann Volker: „Aha, da hat ein einziger ganz allein vom Baum der Erkenntnis genascht…“ – Er war total dagegen – der Zeitpunkt sei völlig unpassend.Große Diskussion – hauptsächlich zwischen den beiden.Willms setzte sich durch, die Sendung wurde realisiert – mit Panzers Beteiligung! -sie war ein aspekte-Glanzstück. Und Volker?Die Rum-Motzerei wich einer großen Euphorie – für ihn zum damaligen Zeitpunkt die beste Sendung, an der er mitgearbeitet hatte – und er bescheinigte Willms die Fähigkeit, dann doch große Themen zu erkennen.
So war Volker Panzer: große Diskussionen, oft dagegen – konnte aber auch  umschwenken – wenn die Argumente gut genug waren, um ihm einzuleuchten. 
Jedenfalls habe ich ihn so erlebt!
Dorothea Schütt 

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen: