In.f.a.M – Institut für angewandte Medientheorie

Kategorie: Nachrufe

Mit Volker war es nie langweilig

ZDF-Kollegen erinnern sich: Geschichten und Anekdoten der Kollegen

Mit Volker war es nie langweilig. Er war im doppelten Sinn ein großer Unterhalter, gewitzt im Gespräch und witzig als Entertainer. Von Adorno bis zotig hatte er alles drauf, verehrte Rainald Goetz ebenso wie Rex Gildo. Die verkörperten für ihn nicht zwei Welten, eher zwei Seiten ein und derselben Welt, nämlich unserer Welt. Und die interessierte ihn in allen Facetten. In seinem Kulturverständnis gab es kein oben und unten, kein E- oder U-, kein elitär und populär.
Er gehörte noch zu der Generation der Redakteure, die die Kultur sehr ernst nahmen. Und ihren Spaß daran auch.
(Im Sender saßen die Aspektler meistens in der Kantine. Heute gibt`s da vegane Menüs, damals stand an der Kantinentür: „Alkohol erst ab 11 Uhr 45“)

Volker war kein Snob, obwohl man ihn in seinem Dauer-Anzug mit Krawatte, alles in grau, sogar das Hemd, dafür hätte halten können. Aber nicht Budapester rundeten seinen Stil ab, es waren Cowboystiefel mit sehr schrägen Absätzen.
Volker hatte den groove, brachte andere gerne zum Lachen, zum Denken , zum Singen. Je später der Abend desto inbrünstiger seine Lieder. Als bekennender Schlagerfan kannte er alle deutschen Hits auswendig: „Rote Lippen soll man küssen“, „Marmor, Stein und Eisen bricht“, „Marina, Marina“ – ein Schmalzfetzen nach dem andern. Mit seinem Schlagerprogramm trat er sogar in Kneipen auf.

Sein Lieblingslied war “Heute hier, morgen dort“ von Hannes Wader. Das lief auch am 13. August, seinem Todestag. Sibylle, seine Frau, und Zoë, seine Tochter hatten es aufgelegt. Es gab Antipasti und kühlen Weißwein. Wie er es sich gewünscht hatte. Volker war noch da, eine Havanna lag auf seiner Brust.
Nur den einen Wunsch „Ich will keine Tränen sehen“ konnten wir Dir nicht erfüllen. Ciao ciao bambino…..

Luzia Braun (von 1987 – 2019 bei aspekte )

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

„Finden Sie sich am Freitag um 10 Uhr in der Kultur-Redaktion aspekte, Hochhaus, Mainz-Lerchenberg ein.“ Volker  Panzer stand 1977 pünktlich, mit einer leichten Verbeugung, artig vor der grauen Eminenz der Redaktion, Elisabeth Eichin, und meldete sich als neuer Hospitant an. „Ja, was wollen Sie denn hier, die Jungs sind doch alle in Wiesbaden unter den Eichen! Da wird schließlich die Moderation und die Sendung zusammengesetzt. Wissen Sie das nicht?“Oh, Gott, das fängt ja gut an!

Ja, und dann endeten unsere Treffen 2020 mit Museumsbesuch, Radtouren, Spaziergängen. Treff war der Stuttgarter Platz, die Windscheidstraße oder das Lentz. Me Collectors Room – Gerhard  Richter in der Auguststraße.  Wir hatten den letzten Tag der Ausstellung bei freiem Eintritt erwischt. Volker ging eilig durch die Räume und blieb interessiert vor den 48 schwarz/weiß-Portraits  stehen. „Den kenn ich, den kenn ich auch, den auch. Oskar Wilde, Rilke, Kafka, Dutschke…“ Lockdown. Unsere Radtour bei  eisigem Wind durch den Charlottenburger Schlosspark. Das Lentz war schon zu. In der Kastanie wurde aufgeräumt und wir bekamen draußen noch ein kleines Bier. Unser letztes Bier tranken wir am vergangenen Samstag am Stutti. Es war schon etwas schwierig für uns. Nur ich konnte noch etwas erzählen, von den Kollegen grüßen. Dann noch ein kleiner Rundgang durch die Windscheidstraße und plötzlich standen wir vor seinem alten, schönen, grünem  Mercedes. Volker ging ein paar Mal um das Auto herum. Der Stern war nicht abgebrochen. Auf der Ablage lagen seine beiden Schlägermützen. Eine für den Winter, eine für den Sommer. 

Marianne Heitmann (von 1977 – 2009 bei aspekte )

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Ich will vorausschicken, dass ich immer noch ganz benommen, bestürzt, betroffen von der Nachricht über Volkers Tod bin. Leider hatte ich es seit seinem 70. Geburtstag versäumt, mich öfter bei ihm zu melden als nur zu den Geburtstagen – und habe ihn dieses Jahr auch nicht mehr erreicht…  Bedauerlicherweise hatte ich daher keine Ahnung wie schlecht es ihm ging. Ein Versäumnis, das ich leider nicht mehr rückgängig machen kann.

Er wird mir fehlen, immerhin war er zu einer Konstanten in meinem Leben geworden, irgendwie war er immer da und es gab mehr als eine Situation in meinem Leben, in der ich an ihn denken musste, auch Jahre noch nach unserer gemeinsamen Zeit im Nachtstudio (immerhin 15 Jahre). Er hatte eine ganz eigene Art, Dinge zu betrachten und sie wiederzugeben – eine Art, die ich stets an ihm bewundert habe. Er war ein außergewöhnlicher Mensch mit außergewöhnlichen Gaben und ich finde, die Welt verliert mit ihm einen bemerkenswerten Kopf. RIP, lieber Volker!

Andrea Weis (Nachtstudio von 1997 bis 2012)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Volker hatte keine Angst, keine Vorurteile. Er war neugierig. Und er war bodenständig. Kein Zufall, dass er einer der ersten war, der die Bedeutung Anselm Kiefers erkannte, dass er immer wieder über Franz Xaver Kroetz oder Edgar Reitz berichtete.  Wenn die erfahrenen Kräfte von aspekte Bedenken trugen oder keine Lust hatten, übernahm er. Seine Beiträge hatten Witz und Verstand. Er recherchierte genau. Fand das treffende Bild, den nötigen Abstand, eine Pointe. Den Satz, der dem Detail gerecht wurde, es aber auch einordnete in größere Zusammenhänge. Er interessiert sich für den Augenblick, aber auch für das, was dem Augenblick voraus ging, konnte Geschichte, Gebäude, Texte, Städte deuten und befragen. Deswegen galt seine besondere Aufmerksamkeit Architektur, Städtebau und Denkmalschutz. Das konnte jemenitische Lehmarchitektur sein, aber auch die Plattenbauten von Marzahn. Er machte sich und seinem Publikum ein Bild von der Welt, denn er liebte Bilder und Sprache und Sprachbilder, aber es waren lebendige Bilder, veränderbare, aufgehoben in einem großen Fluss. Der hielt ihn in Bewegung. 

Benedikt Gondolf (1980 bis 2018 aspekte)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Der Mann, der 1991 als er noch Kinn- und Oberlippenbart trägt, wie eine Mischung aus Peter Handke und Buffalo Bill aussieht – nicht scheu wie ersterer, ebenso verwegen wie der zweite – steht in Cowboystiefeln auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände. Bin neu bei aspekte, weiß nicht viel und kann noch weniger. Er hat sich meiner angenommen, mir so viel erklärt und beigebracht, Geduld gehabt, sich Zeit genommen, zusammen haben wir über unzählige Witze gelacht, Dylan und Wecker gehört, gern Deftiges gegessen. Ein echter Kamerad. Abends drehen wir bei Regen in Gummistiefeln mit einem mürrischen Kollegen. „Eins merk dir: Der Kameramann ist der natürliche Feind des Redakteurs“, ein klassischer Panzer-Satz. Beim Texten durfte man ihn stundenlang nicht stören – ein Ringen, an dessen Ende er oft ein aus Ägypten mitgebrachtes, erleichtertes „al-Hamdu li-Llah!“ ausrief. Filmemachen war für ihn auch Mühsal. Mühe – dass die sich lohnt, hat er mir gezeigt. Seine Denkarbeit und Wissbegier und Bonmots und saarländische Freundlichkeit, der kleine Weißwein am Mittag und sein verschmitztes, kleines Lachen, das von den Mundwinkeln bis zu den blauen Augen reichte – all das und noch viel mehr soll bleiben…

Jutta Louise Oechler (seit 1989 bei aspekte)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Irgendwie kommen mir populärere Mythen in den Sinn und es stellen sich Bilder ein, vom Saarländer im Himmel. Ich stellte mir vor: Volker Panzer vor der Himmelspforte. Nach mehrmaligem Klopfen öffnet Petrus die Tür und vor ihm steht ein sympathischer Herr, schaut ihn freundlich lächelnd an und sagt mit freudiger Stimme: „Tach, ich bin de Volker!“ Nachdem ihm Eintritt gewährt wurde, schaut er sich an dem neuen Ort um, es gibt ein herzliches Wiedersehen mit alten Bekannten, er trifft auf berühmte Persönlichkeiten, mit denen er noch ein Hühnchen zu rupfen hat und überhaupt betrachtet er Alles sehr interessiert, erkundet die Umgebung, hält ein Schwätzchen der und da.Nach einer Weile wird er durstig, doch kann er nirgendwo sein Bedürfnis stillen. Schließlich, schon ganz schön genervt, erblickt er plötzlich den Allmächtigen und rennt auf ihn zu und spricht erbost: „HERRGOTT, nochmal! Es wird doch wohl möglich sein, hier im Himmel ein kühles Bier zu kriegen?!!!“. Der gute Gott erfüllt ihm sodann den Wunsch und die Beiden sitzen nebeneinander und lassen die Blicke schweifen. Und Volker Panzer spricht zum Herrn: „Du, ich muss dir sagen, ich hätte es mir hier schlimmer vorgestellt, also es ist eigentlich ganz nett hier“ (Anmerkung des Verfassers: Da Volker Panzer zu Lebzeiten des öfteren festgestellt hat, er selbst sei ein Gott, ist es natürlich nur logisch, dass man sich unter Göttern duzt!).„Nur“, fährt er den fort und erhebt dabei seinen Zeigefinger, „überall hier dieser grässliche Weiß, das ist ja GRAU-EN-HAFT! Kann man nicht irgendwo eine Ecke des Himmels in einem fröhlichen Schwarz streichen – oder wenigstens in einem bunten Grau?“Ich stelle mir des Weiteren vor: Wie er dann von oben auf die Geschehnisse auf Erden schaut. Wie er wie ein Fußballtrainer während eines Spiels am Spielfeldrand, auf den Wolken auf und ab rennt, nach unten schaut und ruft und lacht, vor Freude jubiliert oder höllisch rumbrüllt. Wie er das irdische Geschehen kritisiert, analysiert, theoretisiert, Lob verteilt und ab und zu den einen oder anderen beleidigt – Um dann später mit einem herzlichen „Ay, vertragen wir uns wieder!“ Frieden zu schließen. Und wie er die da unten mit Erinnerungen, Gedanken, Gefühlen und Ideen versorgt. Vielleicht gerade den Schreiber dieser Zeilen. 

Christian Bitzer (Nachtstudio 1997 bis 2012, danach aspekte )

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Mir fallen sofort zwei Dinge zu Volker ein: Ihm und seinem Stilbewusstsein verdanke ich meine erste dienstliche Flugreise überhaupt. Und was für eine. Volker, mit seinem kämpferischen Faible für Städte, Denkmalschutz und Stadtentwicklung, er wollte gleich nach der Wende „rüber“, plante eine Sendung über die Altbausubstanz in Ostberlin, bzw. was davon übrig war. Die Mauer stand ja noch, bzw. war noch nicht den Spechten zum Opfer gefallen. Und er nahm tatsächlich den neuen Hospitanten mit, der hatte sich nämlich im Studium mit eben solcher Thematik beschäftigt. Und so fand ich mich in einer Maschine der PanAm auf dem Weg von Frankfurt nach Tegel. Und dann kam es: Wir wurden abgeholt. Volker lächelte verschmitzt. Eine fette Mercedes-Limousine mit Chauffeur und DDR-Kennzeichen! brachte uns durch irgendeinen der Übergänge, die gerade an diesem Tag offen waren, „rüber“, ins heutige Westin Grand Hotel“. In irgendeiner der vielen Runden, lange her, hat Volker mal verkündet, auf welche Weise er durchs (berufliche) Leben navigiert: „Das Prinzip des gelenkten Zufalls“. Daran denke ich seither immer wieder und werde das auch weiter tun. 

Gerald Giesecke (seit 1989 bei aspekte)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Da ich ja Volker 15 Jahre, also von der 1. bis zur letzten Sendung produktionell begleitet habe, haben sich besonders  2 seiner markantesten Sprüche eingeprägt:

1.     Fernsehen scheitert immer am Ton. (Das sagte er jedes Mal beim Betreten des Studios).

2.     Vertragen wir uns wieder. (Ein Trinkspruch, auch wenn man sich nicht gestritten hatte.).

Diese Nachricht mit dem Tod hat mich echt umgehauen und ich hatte all die Jahre ein sehr offenes und vertrauensvolles Verhältnis zu ihm. Es ist so bitter.

Uwe Nadolny (Nachtstudio von A bis Z)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Vielleicht macht die Herkunft aus dem Saarland sensibler dafür, wie Menschen ticken, die aus einer kleineren deutschen Region am Rande ins große Deutschland kommen. Volker hatte eine erstaunlich selbstverständliche Art, mit Kollegen und Kolleginnen aus dem Osten Deutschlands zu arbeiten, zu reden, zu feiern – vor dem Mauerfall und erst recht danach. Viele Freundschaften sind so entstanden, weil die vorurteilsfreie Offenheit und Neugier eine seiner größten Stärken war. Er wird uns in diesem nicht einfacher gewordenen Land als kluger, enthusiastischer, humorvoller Vermittler fehlen. Solche wie er sind selten.

Frank Vorpahl (seit 1994 bei aspekte)

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Kleines Gedächtnis-Protokoll einer aspekte-Assistentin:Erste Redaktions-Konferenz im Januar 1992 – man kam aus den Weihnachtsferien.Sofortiger verbaler Überfall des Redaktionsleiters Willms: „Ich hoffe, alle Gänse sind gut verdaut – denn wir machen eine Schwerpunkt-Sendung zum Jugoslawien-Konflikt. Habe in den letzten Tagen alle Medien verfolgt… Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür…“Große Stille — dann Volker: „Aha, da hat ein einziger ganz allein vom Baum der Erkenntnis genascht…“ – Er war total dagegen – der Zeitpunkt sei völlig unpassend.Große Diskussion – hauptsächlich zwischen den beiden.Willms setzte sich durch, die Sendung wurde realisiert – mit Panzers Beteiligung! -sie war ein aspekte-Glanzstück. Und Volker?Die Rum-Motzerei wich einer großen Euphorie – für ihn zum damaligen Zeitpunkt die beste Sendung, an der er mitgearbeitet hatte – und er bescheinigte Willms die Fähigkeit, dann doch große Themen zu erkennen.
So war Volker Panzer: große Diskussionen, oft dagegen – konnte aber auch  umschwenken – wenn die Argumente gut genug waren, um ihm einzuleuchten. 
Jedenfalls habe ich ihn so erlebt!
Dorothea Schütt 

Erinnerungen, Geschichten und Anekdoten der Kollegen:

Ein wunderbarer Mensch

Nachruf auf Volker Panzer von Michael Schmidt-Salomon – 14. August 2020

Volker Panzer, der Erfinder und Moderator des legendären „ZDF-Nachtstudios“, ist tot. Der 1947 geborene Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung und Herausgeber des Humanistischen Pressedienstes starb am Donnerstagmorgen im Alter von 73 Jahren in seiner Wohnung in Berlin. Michael Schmidt-Salomon erinnert an einen guten Freund und Stiftungskollegen.

Wohl niemand hat mich so oft um den Schlaf gebracht wie Volker Panzer – und dies, obwohl ich ihn anfangs gar nicht einmal persönlich kannte! Wenn ich mich recht erinnerte, sah ich ihn erstmals in der „ZDF-Nachtstudio“-Sendung vom 22.10.1997, als Ernst Pöppel, Friedrich Cramer und Josef H. Reichholf über die Frage „Wie schnell sind wir wirklich? – Vom Urknall ins Internet“ diskutierten. Von da an war es um mich geschehen: Woche für Woche schaltete ich fast zwanghaft in der Nacht von Sonntag auf Montag die Sendung von Volker Panzer an – und wunderte mich mehr und mehr über diesen außergewöhnlichen Moderator, der sich mit seinen Gästen ebenso geistreich über Gentechnik, Quantenphysik, Hirnforschung, Ökologie, Geschichte oder Künstliche Intelligenz unterhalten konnte wie über Mode, Musik, Literatur, Filme oder die „Weltanschauung Fußball“.

Das Erstaunliche war: Obwohl manche dieser Sendungen Themen behandelten, die mich auf Anhieb gar nicht interessierten, habe ich mich niemals gelangweilt, was sicherlich auch daran lag, dass sich vor Volkers „virtuellem Kamin“, der unablässig auf einem Bildschirm im Hintergrund loderte, das Who`s Who aus Kunst und Kultur, Gesellschaft und Wissenschaft versammelte. Dass es möglich war, eine solche Sendung fernab des Mainstreams über 15 Jahre hinweg zu produzieren, war wohl nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich Volker durch frühere Meriten (u.a. als Mitarbeiter von „aspekte“ und „Terra X“ sowie als Redaktionsleiter des Ressorts „Kultur und Gesellschaft“ beim ZDF), eine gewisse „Narrenfreiheit“ erkämpft hatte. Noch entscheidender war aber sicherlich, dass die Einschaltquoten in 430 Folgen mit 2500 Gästen (!) trotz aller Unkenrufe niemals abrutschten! Mit diesem dauerhaften Erfolg hatte wohl niemand ernsthaft gerechnet – mit Ausnahme vielleicht von Volker Panzer selbst.

Volker hat das Unmögliche möglich gemacht: Ein derart intellektuelles Format wie das „nachtstudio“ hat es nie zuvor im deutschen Fernsehen gegeben – und wird es vermutlich auch in Zukunft nicht wieder geben! Mein einziges Problem mit dieser großartigen Sendereihe war, dass sie mir allzu oft den Schlaf raubte – nicht nur, weil sie so spät ausgestrahlt wurde, sondern auch, weil ich mitunter bis in die Morgenstunden nicht aufhören konnte, über die Argumente der Sendung nachzudenken. Als ich im August 2007 erstmals selbst ins „nachtstudio“ eingeladen wurde (in eine Sendung mit Seyran Ates, Jean Ziegler und Heiner Geißler über „Strategien der Weltverbesserung“), warf ich Volker augenzwinkernd vor, schuld daran zu sein, dass ich seit 10 Jahren (!) montagsmorgens kaum noch zu gebrauchen sei. Er setzte daraufhin sein breitestes Lächeln auf und sagte: „Das wundert mich nicht! Denn wie heißt es so schön bei Heinrich Heine? Denk‘ ich an Panzer in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht!“

 
Botschafter eines sanften, epikureischen Humanismus

Um humorvolle Kommentare war Volker niemals verlegen. So richtig in Fahrt kam er oft erst nach der Sendung, wenn es mit dem Team und den Gästen zu seinem Lieblingsitaliener ging, wo bei gutem Essen und gutem Wein (oft auch etwas zu viel gutem Wein!) ausgiebig über „Gott und die Welt“ diskutiert wurde. Allein schon wegen diesen wunderbar epikureischen „nachtstudio“-Nachfeiern bin ich dankbar dafür, dass ich in den Jahren 2007-2012 fünfmal das Vergnügen hatte, an der Sendung mitwirken zu dürfen.

2011, als sich abzeichnete, dass mit Volkers Pensionierung das „nachtstudio“ komplett eingestellt würde (die letzte Live-Sendung wurde im Juni 2012 ausgestrahlt), nahmen wir ihn in den Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung auf. Er selbst hätte diesen Schritt schon deutlich früher vollzogen, nämlich bereits 2007 nach unserer zweiten gemeinsamen Sendung mit dem passenden Titel „Ist Gott nur eine Wahnvorstellung?“ Doch ich riet davon ab, weil ein Moderator vom Publikum als „moderat“ wahrgenommen werden sollte – und die gbs damals (fälschlicherweise) im Ruf stand, eine Organisation „militanter Atheisten“ zu sein.

Volker selbst war alles andere als ein „militanter Atheist“ – obwohl er in seiner Kindheit und Jugend einiges Leid in christlichen Bildungsanstalten erfahren hatte. Er war zu warmherzig, zu humorvoll und zu entspannt, um mit „Schaum vor dem Mund“ gegen Andersdenkende vorzugehen. Dies machte ihn zum idealen Botschafter eines sanften, epikureischen Humanismus (siehe hierzu auch den 2013 erschienenen Gesprächsband „Glück ist etwas ganz Kleines“), was ihn in die Lage versetzte, selbst zwischen heftigst verfeindeten Lagern vermitteln zu können. Für die „säkulare Szene“ im Allgemeinen und die gbs im Besonderen war es natürlich ein echter Glücksfall, dass Volker nach dem „nachtstudio“-Ende 2012 deutlich mehr Zeit hatte, um sich bei uns einzubringen: So moderierte er neben vielem anderen die „Kritische Islamkonferenz 2013“, übernahm die Herausgeberschaft des Humanistischen Pressedienstes (hpd) und engagierte sich in der Kampagne „Mein Ende gehört mir – Für das Recht auf Letzte Hilfe“.

  
Letzte Worte

Als Volker vor Jahren von dem Magazin „Cicero“ gefragt wurde, was er tun würde, wenn er wüsste, dass er nur noch 24 Stunden zu leben habe, lautete seine Antwort: Zunächst einmal würde er gut recherchieren, ob das wirklich stimmt. Falls ja, würde er sich erstens LSD besorgen, weil er das noch nie ausprobiert hat, zweitens gutes Essen und guten Wein bei seinen drei Lieblingsitalienern bestellen und drittens Freunde und Verwandte zu einer großen Abschiedsparty einladen. Die abschließenden Sätze des Artikels waren „typisch Volker“: „Finanziell würde ich gar nichts regeln, auch keine Grabstätte auswählen, das sollen andere für mich tun. Nur die Italiener, die würde ich sofort bar bezahlen.“

2018, als wir uns das letzte Mal am Stiftungssitz trafen, wirkte Volker ungewöhnlich still und in sich gekehrt. Sein Zustand machte mir Sorgen. Leider bestätigten sich diese Befürchtungen kurze Zeit später, als Volker einen Schlaganfall erlitt, von dem er sich nie wieder erholen sollte. Er konnte kaum noch sprechen oder schreiben. Direkte Treffen waren aufgrund der räumlichen Distanz ausgeschlossen. Das Ganze war hart, brutal und unfair – so, wie das Leben leider mitunter auch sein kann: Ausgerechnet Volker, der große Kommunikator, der so vielen Wissenschaftlern und Kulturschaffenden ein Forum für ihre Ideen geboten hatte, fand kaum einen Weg mehr, seine eigenen Gedanken und Empfindungen mit der Außenwelt zu teilen! Wie sehr ihn dies getroffen hat, verrät der (mit fremder Hilfe ermöglichte) letzte Blogeintrag auf seiner Website, der mich, wie sicherlich viele seiner Freundinnen und Freunde, zutiefst erschüttert hat. Ein Trost ist immerhin, dass er zuhause im Kreis seiner Liebsten „mit Blick in den Sonnenaufgang“ sterben konnte, wie seine Frau gestern über Volkers Facebook-Seite mitteilte.

Im „ZDF-Nachtstudio“ gab es ein wiederkehrendes Element, nämlich „Das letzte Wort“, mit dem Volker die Sendung mit einem geistreichen, oft überraschend-witzigem Zitat abrundete. Das „letzte Wort“ hatte er auch in einem Video, das 2016 zum 10-jährigen Bestehen des Humanistischen Pressedienstes produziert wurde. Lachend führte er aus, dass sich die Reichweite des hpd seit seiner Gründung immer weiter erhöht habe und er sich irgendwann „so weit ausgedehnt haben wird, dass alle Menschen auf dieser Welt ihn lesen!“ Ich finde, dass dieses kurze, schalkhafte, spontan improvisierte Statement perfekt zum Ausdruck bringt, was Volker als Person auszeichnete. Als ich diese Sequenz 2016 das erste Mal sah, zauberte sie ein Lächeln in mein Gesicht. Heute löst sie bei mir Wehmut aus, denn sie offenbart in aller Deutlichkeit, was für einen wunderbaren Menschen wir für immer verloren haben.

Erschienen: https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/ein-wunderbarer-mensch

Volker Panzer als Beirat in der giordano bruno Stiftung

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