In.f.a.M – Institut für angewandte Medientheorie

Autor: Volker Panzer (Seite 1 von 2)

Blog von Zuhause

Ich bin Zuhause. Nicht nur wegen Corona. Nicht nur, weil das Lentz geschlossen hat. Ich bin Zuhause, weil ich nicht mehr sprechen kann. Ein Schlaganfall war nur der Anfang. Jetzt kann ich nur noch Grummeln und JA sagen, und manchmal auch NEIN, und selten gibt es kurze prägnante Sätze.

Ich zeichne, ich gehe spazieren, ich langweile mich. Niemand hat Zeit für einen, der nicht mehr sprechen kann. Für einen, der nicht am Stammtisch sitzt, der kein Bier mehr trinkt, ohne sich zu verschlucken, der zum Boule spielen abgeholt werden will, ok, das ist nicht drin. Ver-rückte Welt der Ende-der-Karriere-Stammtische. Wer rausfällt, ist draußen.

Wo seid Ihr, Freunde? Menschlichkeits-Fanatiker? Gut-Menschen? Kultur-Schaffende? Wo seid Ihr, wenn einer wie ich nun Euch nicht mehr mit großem Mundhandwerk unterhalten kann? Wo seid Ihr, wenn einem wie mir die Luft weg bleibt?

Meldet sich noch jemand? Oder wartet Ihr alle auf das große Tamtam? Übrigens, Eis essen und schnellen Schrittes im Park spazieren, das geht noch immer.

Euer Volker Panzer im Juni 2020

Nachrichten aus insonne: „sozusagen“

Neulich war ich Zuhörer einer hochinteressanten Diskussion über Karl Marx. Karl Marx, die SPD und wir; oder so ähnlich war der Titel. Die Argumente für und über Marx hinaus waren sehr nachvollziehbar. Prof. Herfried Münkler, wie immer süffisant, Herr Stegner von der SPD hat sogar mal die Mundwinkel hochgehoben und Frau Kruke, als Moderatorin war gut aber irgendwie überflüssig. Oder doch nicht. Von ihr ging der rhetorische Wasserfall: „sozusagen….“ aus. Fast jeder Satz von ihr und dann von den Diskutanten wurde mit dieser Floskel verwässert. Warum kommt einem das Wort so leicht über die Lippen. Meine Erklärung: Es ist eine Denkpause ohne den Mund zu halten…

Nachrichten aus „insonne“ Beschwerdebrief an Vodafone

to whom it may concern,

kurz vor Weihnachten wollte ich meinen Vertrag ändern. Im Vodafoneshop in der Wilmersdorferstraße in Berlin sagte mir eine junge Dame, kein Problem. Dann sah ich ein Smartphone- Angebot für 1 Euro. Da brauchen Sie einen neuen Vertrag, sagte sie und eine neue Nummer. Das wollte ich aber auf gar keinen Fall, schließlich habe ich meine Nummer 01726122186 schon seit Mannesmannzeiten. Sie können ja eine Rufumleitung machen, sagte die junge Dame und ich unterschrieb. Da das Smartphone erst nach Weihnachten abzuholen war, ließ ich mir das alles noch mal durch den Kopf gehen, da entsteht ja eine immense Konfusion mit den Nummern rechnete ich mir aus und wollte den Smartphone-Vertrag stornieren oder irgendwie mit meinem alten Vertrag verlinken. Das geht überhaupt nicht, sagte die junge Dame; meine Chefin läßt Ihnen aber 10 Euro Nachlass. Da verstand ich gar nichts mehr. Bin ich bei einer irgendwie kriminellen Vereinigung gelandet und muss 2 Jahre lang bezahlen für etwas was ich nicht nutze oder gibt es Hilfe, fragt

mit freundlichen Grüßen
Volker Panzer

 

Post aus Paceville (Malta) die Dritte

Gaby wohnt seit 24 Jahren auf Malta, hat einen Maltesen geheiratet und arbeitet freiberuflich als Reiseführerin. „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung“, sagte sie auf der Fähre nach Gozo. Es regnete in Strömen. Als wir die weltberühmte Kultstätte erreichten, die älter als die Pyramiden ist, hellte es sich auf. Aber ein eisiger Wind trieb alle Reisegruppen auf einmal in den Schutz des massiven Steinrings. Dann kam die Sonne raus, wir gondelten im Bus durch grünes Hügelland, hörten Gaby zu: „Gozo hat 27000 Einwohner und 57 Kirchen.“ Und tatsächlich links und rechts wölbten sich übergroße Kuppelkirchen gen Himmel. In einer davon, der Wallfahrtskirche „Madonna di Tapino“, eine Art Lourdes des Archipels, lagen Bittbriefe aus, da konnte man ankreuzen, welches Wunder man von der Jungfrau Maria erwartet. Was ich angekreuzt habe, verrate ich nicht. Vier Wochen hat sie Zeit, dann werden die Bittbriefe an die Madonna di Tapino jedes Mal verbrannt…

Post aus Paceville (Malta) die Zweite

Neues Zimmer neues Glück, jetzt sehe ich sogar die St. Georges Bucht. Mit den „Öffentlichen“ auf nach Valletta. Was wird mich erwarten? Bin ja nicht vorbereitet, fühle mich aber im Stadtbus wohl. Verstehe leider kein Wort, denn die sogenannten Einheimischen reden ja unter sich maltekisch. Dass hier mal Ritter hausten, sieht man an jeder Stelle. Festungsmauern all überall. Winkelgassen, Schießscharten, irgendwie unangenehm. Die St. John’s Co-Cathedral kann man nur durch einen Nebeneingang betreten. Und ist plötzlich in einer ganz anderen Welt. Barock: Pracht und Propaganda für Macht, Tod, Krieg, Herrlichkeit und Ewigkeit. Man – also ich – werde ganz still und andächtig angesichts dieser aberwitzig wunderlichen Formen, die die Angstblüten des Katholizismus nach der Reformation dann doch ausgetrieben haben.

Post aus Paceville (Malta) die Erste

Beim Anflug auf Malta habe ich meine große Foto-Chance verpasst. Über dem wie aus breitgeschlagenem Lehm daliegenden Eiland zog eine Wolke vorüber, dergestalt, dass ich dachte die Insel spiegele sich im Himmel. Aber wie immer: Staunen statt Foto schießen. Dann die Ernüchterung: Mein Glückshotel entpuppte sich als großer Betonkasten und von meinem Zimmer aus sehe ich mich ganz klein gespiegelt im Dunkelglas-Neubau gegenüber, denn alles hier wird umgebaut: superschick. Aber das Gute: Paceville ist das Vergnügungsviertel der Insel mit vielen original englischen Pubs und eben solchem Publikum. Also hätte es schlimmer kommen können?

Dritte Nachricht aus „insonne“

gestern war ich auf der Pressekonferenz zur 63. Berlinale. Es ist jedesmal dasselbe Ritual. Man kommt in den Saal rein, drängelt sich an den zuhauf aufgestellten Kameras vorbei, sucht sich ein Plätzchen, möglichst so am Gang, dass man ohne großes Aufsehens zu erregen frühzeitig den Saal wieder verlassen zu können. Was man nicht tut, denn in der Regel ist der Chef Dieter Kosslick lustig bis zum Schluss. Dieses mal waren es folgende Gags: 1. es gibt in der Presseabteilung tatsächlich eine junge Praktikantin, die den bürgerlichen Namen Marlene Dietrich trägt. Die wurde vorgezeigt. Beifall und Gejohle. 2. Kosslick verglich die alljährliche Pressekonferenz mit dem Parteitag der KPDSU in Odessa: „immer die gleichen Gesichter“. Beifall und Gejohle und 3. auf den Zwischenruf am Ende der Pressekonferenz „Clooney“, sagte Kosslick: der ist doch sowieso in Berlin und wir werden ihn nicht abweisen. Beifall und Gejohle und Ende. Nächste Woche gehts los: im Kino, im Dunkeln….

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